Es war einmal ein Problemchen, das sich danach sehnte, groß und stark zu werden wie sein Vater.
Er bewunderte ihn über alles, denn er hatte es wiederholt fertig gebracht,
sich jahrelang bei ein und demselben Menschen aufzuhalten,
und das ist immerhin eine beachtliche Leistung.
Nun wollte das Problemchen es ihm gleichtun und
sich ganz allein an einen Menschen heran wagen.
Deshalb ging es zu seinem Vater und erzählte ihm von seinem Vorhaben.
Der Vater hörte ihm geduldig zu und beschloss dann, dass die Zeit gekommen war,
seinem Sohn das wichtigste Rüstzeug mit auf den Weg zu geben.
“Mein lieber Sohn”, begann er deshalb, “horche mir gut zu.
Ich werde dir das Geheimnis meines Erfolges und Richtlinien für dein Überleben kundtun.
Zu allererst musst du dir einen geeigneten Menschen suchen.
Am besten eignen sich diejenigen, die alles negativ sehen,
sich selbst gerne bemitleiden und stundenlang jammern können.
Bei diesen hast du die beste Chance, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln und auf dich zu lenken.
Merke dir eines: je besser es dir gelingt, die Aufmerksamkeit eines Menschen zu gewinnen,
desto größer und stärker wirst du werden.
Schleiche dich also zuerst vorsichtig in die Gedanken eines solchen Menschen ein
und klammere dich dort mit aller Kraft fest.
Wenn du genügend Geduld und Ausdauer hast,
kommen bald heftige Gefühle bei diesem Menschen auf,
mit denen du dich verbünden kannst.
Unsere besten und verlässlichsten Partner sind Frau Angst und Herr Zorn,
die eine ganze Schar von Gehilfen,
nämlich die Entmutigungs-, Sinnlosigkeits- und Hoffnungslosigkeitsgefühle hinter sich haben.
Vergiss auch nicht deine Sandsäcke: an jedem Morgen,
wenn der Mensch erwacht, legst du ein paar Kilo mehr auf sein Gemüt.
Lass ihn verzweifelt darum kämpfen, dich loszuwerden;
er schenkt dir dabei seine ganze Aufmerksamkeit, und das ist deine Nahrung!
Nun kennst du die wichtigsten Bedingungen deines Wachstums,
nun muss ich dich aber auch noch vor den Gefahren warnen,
die dich schrumpfen lassen, ja, deinen Tod bedeuten können.
Es gibt die Sorte von Menschen, deren Auren voll Licht sind.
Sie sind geistig rege und seelisch kreativ,
sie lachen und singen gern und verstehen es zu lieben.
Um sie mach’ einen großen Bogen, denn an sie kommst du nicht heran.
Du erkennst sie an einem unsichtbaren blauen Stern auf ihrer Stirn.
Es hat sich unter unseren Mitproblemen herumgesprochen,
dass Menschen, die diesen blauen Stern tragen,
ganz schreckliche Dinge mit uns tun.
Stell dir vor, sie betrachten uns kurz aber distanziert,
so dass Herr Angst und Frau Zorn auf Abstand bleiben müssen,
setzen sich mit uns auseinander und übergeben uns dann dem blauen Licht,
in dem wir uns auflösen.
Oder sie leisten uns, was genauso schlimm ist,
überhaupt keinen Widerstand,
von dem wir doch so sehr leben,
sondern drücken uns großmütig an ihr Herz, wo uns der sichere Tod gewiss ist.
Auf jeden Fall ist es aussichtslos, deine Kräfte mit ihnen zu messen,
denn ohne die Entmutigungs-, Sinnlosigkeits- und Hoffnugslosigkeitsgefühle hast du keine Chance,
und auch diese Gehilfen flüchten weit weg vor solchen Menschen.”
Damit entließ der Vater sein flügge gewordenes Problemchen,
das seinen Ratschlägen gespannt gelauscht hatte,
und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er heute noch – hoffentlich nicht bei dir!